Autor

Semprún, Jorge

Titel

Zwanzig Jahre und ein Tag

Originaltitel

Veinte años y un dia

Genre

Drama

Seiten

292

Erscheinungsjahr

1939

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Suhrkamp

Wertung

Inhalt

Auf dem Gut der Familie Avendaño wird wie jedes Jahr seit 1936 der Toten geehrt. Der jüngste Spross des Hauses, José María, war damals von rebellischen Bauern erschossen worden. Er hinterließ seine junge Frau Mercedes und die bald darauf zur Welt gekommenen Zwillinge Lorenzo und Isabella. Doch die Franco-Ära fordert ihren Tribut auch von der jungen Linken, welche bespitzelt und gejagt wird von der hiesigen Polizei...

Rezension

Wobei die Ereignisse keineswegs in chronologischer Reihenfolge abgehandelt werden, wie der Autor selbst im Laufe des Buches ironisch bemerkt – er sei schließlich Romancier und kein Historiker. Dieser Kniff hält das Interesse wach, da man wissen will, wer hier wen warum umgebracht hat. Zum einen verwirrten mich diese Zeitsprünge allerdings etwas, da Semprún oft über etliche Zeilen hinweggehende Sätze schafft, völlig verschachtelt, mal auf die Vergangenheit, dann wieder auf die Gegenwart bezogen. Zweitens sieht man im Laufe der Geschichte, dass der Mord des einzigen Liberalen der Familie letztendlich nicht aufgeklärt werden kann beziehungsweise muss. Vielmehr konzentriert sich der Autor auf die Hinterbliebenen, allen voran die schöne Witwe Mercedes und die Kommunisten, die gejagt werden, weil sie anders denken und den Staat (angeblich) unterminieren wollen.
Leider beschränkt sich mein Wissen über Spanien auf die Tatsache, dass General Franco ein Diktator war und das änderte sich nach vorliegender Lektüre nicht. Ich finde, dass Semprún viel zu viel voraussetzt und viel zu wenig erklärt, was die Geschichte seines Landes angeht (empfehlenswert in diesem Zusammenhang die Artikel „Francisco Franco“ und „Spanischer Bürgerkrieg“ bei Wikipedia). Dennoch hat der Autor es geschafft, eine regelrecht greifbare Atmosphäre der Anspannung mit einer Mischung aus Vorsicht, Übermut und Sorglosigkeit zu erschaffen, welche sich authentisch anfühlt.
Was ich neben den Zeitsprüngen verwirrend fand waren diese Unmengen an Namen, die der Autor auf's Tapet bringt. Ein und dieselbe Person besitzt derer gar vier und das, obwohl ich mir sowieso keine Namen, noch dazu spanische, merken kann. Negativ anzumerken ist zudem die Angewohnheit des Autors, französische und lateinische Sprüche zu klopfen und dann nicht alle zu übersetzen. Toll finde ich hingegen sein Spiel mit der Wirklichkeit: Was ist Teil des Romans im Roman, was davon ist „tatsächlich“ passiert? Auch wenn mich es oft verwirrte, hat dieses Buch also das gewisse Etwas. Es scheint von wirklichen Menschen zu handeln (die teilweise äußerst absonderliche Verhaltensweisen zeigen, wie etwa Mercedes und José María oder die Zwillinge), bei denen ich nie sicher war, ob es sie wirklich gegeben hat oder nur ihnen ähnliche Leute? Außerdem hat man das Gefühl, etwas sehr Persönliches mit dem Autor zu teilen, da er sich Überlegungen zu den Dingen macht und sie dem Leser mitteilt wie einem guten Freund. Das liegt sicher mit an der Erwählweise, die wie im wirklichen Leben von Gedankensprüngen durchzogen ist und weil Semprún zuweilen in der Ich-Form oder den Leser direkt anspricht. Die Protagonisten blieben zwar leider Fremde, wohl weil ich ihr Verhalten nicht verstehen konnte. Was aber nicht heißt, dass ich meine Zeit nicht gern mit ihnen verbracht habe, aber eben eher distanziert und dennoch fast wider Willen fasziniert.