Autor

Rushdie, Salman

Titel

Das Lächeln des Jaguars - Eine Reise durch Nicaragua. Vom Autor erweiterte Neuausgabe (1997)

Originaltitel

The Jaguar Smile. A Nicaraguan Journey

Genre

Reisebericht

Seiten

205

Erscheinungsjahr

1986

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Knaur

Wertung

Inhalt

1986 hielt sich der Autor in dem südamerikanischen Land Nicaragua auf, das von Diktatoren und Kriegen gebeutelt und heruntergewirtschaftet wurde. Jetzt ist der brutale Herrscher Somoza gestürzt, doch gibt es immer noch Kämpfe zwischen Contras und Sandinisten, welche die Macht übernommen haben. Ein komplettes Land nagt am Hungertuch und wird von der Regierung Reagans unter Druck gesetzt, sich vom Kommunismus abzuwenden. Rushdie nun trifft in einem Moment der prekären Ruhe ein, unterhält sich mit Dichtern, Schriftstellern und Politikern...

Rezension

Rushdie nun trifft in einem Moment der prekären Ruhe ein, unterhält sich mit Dichtern, Schriftstellern und Politikern... Diese allerdings treten oft in ein und derselben Person auf: "Wieder ein Dichter. Nirgends war man vor diesen Brüdern sicher." Wie man sieht nähert sich der Autor diesem zerrissenen Land nicht ohne Humor, aber auch ein wenig naiv. Letzteres vor allem deshalb, weil ich den Eindruck hatte, Rushdie bemühe sich sehr darum, die Revolution und damit die herrrschende Partei gut zu finden. Seine Sympathie für die Nicaraguer macht er überaus deutlich, da Reagan und insbesondere der mitunter skrupellos taktierende Verein der CIA die großen Bösen sind. Eines muss man aber Herrn Rushdie lassen, er nimmt wirklich kein Blatt vor dem Mund und stellt den Leuten dort, unter anderem dem Präsidenten Ortega, auch unbequeme Fragen, so dass diese des öfteren ins Schwimmen kommen. Es stellt sich zum Beispiel heraus, dass glühende Vertreter des jetzigen Systems unter Diktator Somoza noch ganz anders gedacht hatten und erst später umgeschwenkt sind, als es bereits sicher war, zur Gegenseite zu gehören. Bei der Diskussion um die Verfassung kommt es gar zu Konflikten zwischen dem tief verwurzelten katholischen Glauben und der Forderung der Frauen, selbst über ihren Körper entscheiden zu dürfen. Und mit der Pressefreiheit ist es leider auch nicht weit her.
Man sieht also, dass es sich hier keinesfalls, wie der Untertitel vermuten lässt, um einen Reisebericht handelt, der irgendwelche Tips für künftige Touristen bereithält. Über die Schönheit des Landes werden nur sehr selten Worte verloren, doch wer sich ein Bild über die damals herrschende (Aufbruchs)Stimmung in Nicaragua machen möchte, mitsamt der guten und einigen schlechten Seiten der Revolution, kann mal in "Das Lächeln des Jaguars" rein- schauen. Doch er sei gewarnt: Man wird bei der Lektüre mit Namen überhäuft und etlichen unterschiedlichen Parteien, die alle verschiedene Ziele verfolgen. Zudem setzt Rushdie einiges an Vorkenntnissen voraus, was er besser hätte erklären sollen, vor allem für jemanden wie mich, der erst acht war, als er sein Werk verfasst hat. Ich bin politisch nicht ungebildet, aber alles, was ich über dieses heutzutage fast vergessene Land und dessen Freiheitskampf weiß, habe ich aus dem Film "Under Fire" von Roger Spottiswoode. Ich fand es daher sehr ermüdend, bei jeder Person wieder rätseln zu müssen, wer das denn nun schon wieder war und welche Funktion er bekleidete.
Zumindest beginnt man nach diesem Buch allmählich zu verstehen, wie die Menschen in Nicaragua "ticken". Südamerikaner, aber nichtsdestotrotz Amerikaner, die gerne Cola trinken und Popmusik aus den USA hören. Dennoch mag ich nicht daran glauben, dass sie das reinste Unschuldslamm sind, während Reagan und co. völlig zu Unrecht derart harsch reagieren. Da müssen sich wohl beide an die Nase fassen, aber auch Rushdie muss ich mal verbal auf die Finger klopfen, stellt er doch die negativen Seiten so dar, als seien sie Lappalien. Man hat tatsächlich das Gefühl, er sei auf Urlaub, obgleich Kinder in der Armee dienen müssen, die Bevölkerung mit Waffen ausgestattet wird und dutzende jede Woche ihr Leben lassen müssen. Ich hätte mir einen etwas sachlicheren Blick auf die damalige Situation gewünscht.