Autor

Rubenfeld, Jed

Titel

Morddeutung

Originaltitel

The Interpretation of Murder

Genre

Historischer Krimi

Seiten

522

Erscheinungsjahr

2006

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Heyne

Website des Autors

www.interpretationofmurder.com

Wertung

Inhalt

Kurz hintereinander werden zwei hübsche junge Frauen aus gutem Hause in ihrer eigenen Wohnung überfallen und gefesselt. Während Elizabeth Riverford durch die Hand ihres Peinigers stirbt, wird Nora Acton durch die Ankunft ihrer Diener vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt. Aufgrund des Schocks erleidet sie jedoch einen Stimm- und Gedächtnisverlust, welche der zufällig sich in den USA aufhaltende Dr. Freud und sein amerikanischer Kollege Younger mit der brandneuen Methode der Psychoanalyse zu behandeln versuchen...

Rezension

Wir schreiben das Jahr 1909 und die Atmosphäre der damaligen Zeit is sehr schön eingefangen. Die meisten der erwähnten Gebäude gab oder gibt es tatsächlich (hierzu gibt es in der gebundenen Ausgabe einen Stadtplan vorne und hinten) und sogar einige der Personen sind authentisch (nicht nur Freud und Jung, die wahrscheinlich jeder kennt). Der große Psychoanalytiker ist dabei gerade so weit ausgearbeitet, dass er menschlich wirkt und nicht nur als bloßes Abziehbild herumrennt. Man spürt deutlich die Verehrung, die ihm Rubenfeld entgegenbringt, während Jung, der sich später von Freud emanzipierte und zum Teil mit seinen eigenen Lehren distanzierte, sehr schlecht wegkommt. Er erscheint missmutig, kalt und psychotisch. Daneben wirkt vor allem der Ich-Erzähler Younger sehr blass, vor allem da nur wenige Kapitel von dessen Warte aus betrachtet werden. Daher wirken er und die anderen Figuren sehr stereotyp. Detective Littlemore dagegen macht eine komplette Wandlung durch. Er wird quasi als Trottel vom Dienst eingeführt, findet aber mehr heraus, als alle anderen zusammen – hatte der Coroner einen falschen Eindruck von ihm oder hat es sich Rubenfeld leicht gemacht und Littlemore so zurecht gebogen, wie es ihm in den Kram passte? Zu letzterem würde passen, dass der Kriminalfall nicht sonderlich plausibel erscheint, was die Motivation des Täters angeht. Betrachtet man die psychoanalytische Interpretation von Handlungen und Träumen, so bin ich gelinde gesagt skeptisch, ob sich wirklich sämtliche Probleme bis in die Kindheit und zu sexuellen Wünschen und Gedanken zurückverfolgen lassen. Hier tritt wieder deutlich zu Tage, dass Rubenfeld ein Anhänger der Freud'schen Schule ist, wie im Klappentext ebenfalls erwähnt wurde. Als geradezu aufdringlich und aufgesetzt empfand ich Youngers Überlegungen zu Hamlet. Der Autor benötigte wohl unbedingt ein Publikum für seine Ansichten zu dem Satz „Sein oder Nichtsein“ und den angeblich ödipalen Konflikt des dänischen Prinzen.
Dessen ungeachtet halte ich „Morddeutung“ für einen guten Zeitvertreib, da es mir die zwar flachen, aber netten Figuren angetan haben und mein Verdächtiger im Laufe der Lektüre mehrmals wechselte. Die Gefühle Noras am Ende waren leider keine Überraschung; der Autor dachte wohl, das Lüften dieses „Geheimnisses“ wäre der Knaller. Der Schluss selbst roch zu sehr nach „Ende gut, alles gut“ und generell bliebe noch anzumerken, dass sich Rubenfeld in den Verstrickungen zwischen den Beteiligten verfing und dadurch unglaubwürdig wurde. Kann man über die wackelige Konstruktion hinwegsehen, findet man in einer wunderbar nostalgischen Stimmung gute Unterhaltung.
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