Autor

Clarín

Titel

Die Präsidentin

Originaltitel

La Regenta

Genre

Drama

Seiten

835

Erscheinungsjahr

1884

Auszeichnungen

Verfilmungen

Verlag

Suhrkamp

Wertung

Inhalt

Der Roman spielt im 19. Jh. in einer kleinen Stadt in Spanien, Vetusta, in dem Don Victor Quintanar, der ehemalige Gerichtspräsident, mit seiner Frau Anita ("Ana") lebt. Alle beneiden Ana um ihre Schönheit und ihre Unschuld, doch in zwei Männern weckt es eine ungezähmte Leidenschaft. Don Alvaro Mesía, der Don Juan Vetustas, will sie ebenso erobern wie der Generalvikar Don Fermín de Pas, der seine Liebe nicht zeigen darf und sich auf die geistige um nicht zu sagen geistliche Verbundenheit mit der Präsidentin beschränken muss. Doch auch andere schmieden ihre Ränke, um am Ende alles einstürzen zu lassen...

Rezension

Die detailreichen Schilderungen Claríns, die teilweise ein wenig barock anmuten, versetzen einen sofort in die spanische Kleinstadt Vetusta und lassen seine Bewohner sehr lebendig und lebensecht wirken. Man erfährt viel von ihrem Seelenleben, ihren Gedanken und Gefühlen und wenn ich auch niemanden fand, dem ich meine Sympathien schenken konnte, sind die Charakterisierungen ungemein faszinierend. Nicht jeder wird sich mit den sehr ausführlichen, aber genauen Beobachtungen des Autors anfreunden können. Dies ist kein Buch, das man so schnell mal nebenher lesen könnte, allein die Menge an verschiedenen Personen verhindert das. Nach ein paar Dutzend Seiten bin ich sogar dazu übergegangen, mir eine "Besetzungsliste" zu schreiben, da ich mir die vielen Namen und Rufnamen nicht merken konnte. Aber gerade diese Vielfalt an Charakteren machte den Reiz dieses Buches aus. Mögen sie auch unterschiedliche Beweggründe und Ziele haben, im Grunde genommen sind sich die Menschen alle gleich: Sie sind Heuchler und genau diese Scheinheiligkeit streicht Clarín besonders heraus. Ich war hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Mitleid, da die Protagonisten einerseits die Täter, aber gleichzeitig auch die Opfer sind. Ich glaube, so fundiert und tief hat man selten in die Seele von Adligen geblickt. Menschlichkeit und Verruchtheit kommen sehr klar herüber und das ist das große Plus dieses Romans.
Negativ anzumerken ist, dass sich das ganze ein wenig lang hinzieht, die Entwicklung der Personen und der Handlung. Da hätte man ein wenig kürzen können - über zehn Jahre zieren sich die Herrschaften! Aber auch wenn mich das ein wenig ungeduldig werden ließ, gelangweilt habe ich mich nie. Viel zu sehr war ich verstrickt in dem Wirrwarr von Gefühlen, in dem sich die Leute befinden, was auf ein tiefes Verständnis von Seiten Claríns für sie hinweist. Gewünscht hätte ich mir allerdings noch etwas positives, was einen die ganze vom Autor vor Augen geführte Schmach, ein Mensch zu sein, etwas erleichtern würde. Immer mal wieder blitzen echte Emotionen hervor, doch sind die Protagonisten bereits solch geschulte Schauspieler, dass selbst sie echt versus gespielt nicht mehr unterscheiden können. Bedauern konnte ich am Ende niemanden, nur die ganzen Intrigen und Gerüchte mitdurchleben, die zuletzt alles verzehren und eine leere Hülle übrig lassen. Vergessen werde ich diese Personen wahrlich nie, so nah am Geschehen ist man dran!
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